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Unser wissenschaftlicher Hintergrund

Entsprechend den Annahmen des Kompetenzansatzes ist Ihr professionsspezifisches Wissen der Dreh- und Angelpunkt Ihres unterrichtlichen Handelns. Dieses Wissen wird in Anlehnung an Shulman ([25], [26]) in die drei Facetten des fachlichen, fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen bzw. bildungswissenschaftlichen Wissens unterteilt. Hierbei gilt eine umfangreiche und gut vernetzte Wissensbasis als Grundlage der situationsspezifischen Fähigkeiten der Wahrnehmung und Interpretation lernrelevanter unterrichtlicher Ereignisse sowie des Treffens lernwirksamer unterrichtlicher Entscheidungen. Ihre Entsprechung finden diese situationsspezifischen Fähigkeiten vor allem in der professionellen Planungs- und Analysekompetenz von Lehrkräften. In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass Ihr professionelles Lehrerinnen- und Lehrerwissen und die darin gründenden situationsspezifischen Kompetenzen der Planung und Analyse einen Einfluss auf verschiedene Qualitätsdimensionen Ihres unterrichtlichen Handelns haben. Dieses Handeln beeinflusst wiederum vermittelt über die selbstgesteuerte Nutzung Ihres Lernangebots durch Ihre Schülerinnen und Schüler deren fachlichen und überfachlichen Kompetenzerwerb.

Als wichtige Qualitätsdimensionen des Unterrichts gelten sowohl im niedersächsischen Orientierungsrahmen Schulqualität als auch in der empirischen Lehr-Lern- und Unterrichtsforschung die fachübergreifenden Dimensionen der kognitive Aktivierung und Strukturierung, der konstruktiven Unterstützung und der effizienten Klassenführung:

  • Die kognitive Aktivierung beschreibt das Ausmaß, in dem die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler auf Basis ihres Vorwissens und ihrer Vorkonzepte zu einer selbstständigen, intensiven gedanklichen Verarbeitung unterrichtlicher Inhalte und auch zu einer Auseinandersetzung mit ihren eigenen Gedanken (der sogenannten Metakognition) anregt.
  • Die kognitive Strukturierung beschreibt sämtliche Maßnahmen der Lehrkraft, die die Komplexität eines Lerngegenstandes reduzieren und ihn so für die Schülerinnen und Schüler besser lern- und verstehbar macht.  
  • Die konstruktive Unterstützung beschreibt, inwiefern die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler durch ihren Unterricht motiviert, indem sie die schülerseitigen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit berücksichtigt.
  • Die effiziente Klassenführung beschreibt die störungsvorbeugende Steuerungsleistung der Lehrkraft mit dem Ziel, die im Unterricht zur Verfügung stehende Zeit optimal für das Lernen und Erreichen der beabsichtigten Unterrichtsziele zu nutzen und Zeitverluste durch nicht lernzielbezogene Aktivitäten zu vermeiden.

Ob Ihr unterrichtliches Handeln den Kompetenzerwerb Ihrer Schülerinnen und Schüler beeinflussen kann, liegt nicht vollständig in Ihrer Kontrolle. Denn auch der beste Unterricht kann einzelne Schülerinnen und Schüler nicht zum Lernen zwingen, da dessen aktive Nutzung letztendlich durch die Schülerinnen und Schüler selbst bestimmt wird. Ob dementsprechend Ihre Schülerinnen und Schüler tatsächliche etwas bei Ihnen im Unterricht lernen, hängt davon ab, ob sie selbstgesteuert Veränderungen in ihren kognitiven Strukturen, Wissensnetzwerken, Weltverständnissen sowie in ihren Haltungen, Überzeugungen und Einstellungen vornehmen ([30]; [31]; [32]; [33]). 

Der Begriff des selbstgesteuerten Lernens wird häufig synonym für Begriffe wie selbstständiges, selbstbestimmtes, autonomes, strategisches, selbstorganisiertes, selbstreguliertes, selbstkontrolliertes oder eigenständiges Lernen verwendet. Er bezeichnet alle vom Lernenden aktiv initiierten Vorgehensweisen, das eigene Lernverhalten mithilfe verschiedener Strategien zu steuern und zu regulieren. Selbstgesteuertes Lernen wird dabei als ein aktiver Prozess betrachtet, bei dem sich Schülerinnen und Schüler Ziele für ihr Lernen setzen und ihre Kognitionen, ihre Motivation und ihre Volition in Abhängigkeit von diesen Zielen und den äußeren Umständen metakognitiv beobachten, regulieren und kontrollieren. Entsprechend dieser metakognitiven Beobachtungs-, Regulations- und Kontrollfacette prägen vier Hauptkomponenten das selbstgesteuerte Lernen. Jede dieser Komponente beinhaltet unterschiedliche Strategien zur Regulierung von Lernprozessen ([34]; [35]; [36]; [37]):

  • Die kognitive Komponente umfasst insbesondere die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen. Hierzu gehören Arbeitstechniken und Lernstrategien, die zur Einprägung neuen Wissens angewendet werden. Beispiele hierfür sind das Wiederholen (wie das Auswendiglernen von Fachbegriffen), das Organisieren (wie z. B. das Anfertigen von Zusammenfassungen oder das Hervorheben von Schlüsselwörtern) sowie das Elaborieren (etwa die Übertragung abstrakter Inhalte in konkrete Beispiele). Das Organisieren dient der Strukturierung neuen Wissens und der Herstellung von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Informationen. Dies ermöglicht es, neue Informationen durch eine strukturierte und vernetzte Darstellung auf das Wesentliche zu reduzieren und große Informationsmengen im kapazitätsbeschränkten Arbeitsgedächtnis zu verarbeiten. Die Elaboration konzentriert sich dagegen primär auf die Verarbeitung neuer Inhalte und deren Integration in bestehende Wissensstrukturen. Dadurch werden bedeutungsvolle neue Inhalte in bereits vorhandene kognitive Strukturen eingebettet. Dies ist wiederum eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Wissenstransfer. Darüber hinaus unterstützt das Wiederholen die Speicherung neuer Informationen und Inhalte im Langzeitgedächtnis, indem diese Inhalte und Informationen im kapazitätsbeschränkten Arbeitsgedächtnis solange bewusst gehalten werden, bis sie im Langzeitgedächtnis langfristig abgelegt werden können. Im Gegensatz zum Organisieren und Elaborieren erfolgt das Lernen beim Wiederholen jedoch eher auf einer oberflächlichen Ebene und zieht ein weniger tiefes Verständnis nach sich.
  • Die metakognitive Komponente ist dazu da, den Einsatz geeigneter Lernstrategien zu steuern, zu kontrollieren und zu regulieren Der eigentlichen Lernhandlung vorgelagert ist dabei die Planung. Sie richtet sich auf die Auswahl eines geeigneten Vorgehens. Bei einer solchen Auswahl werden im Zuge der Planung unter anderem Lernziele von den Schülerinnen und Schülern gesetzt oder sich für die Verwendung einer spezifischer Lerntaktik entschieden. Im Rahmen der Überwachung wird dagegen der qualitative und quantitative Lernfortschritt überprüft. Dies erfolgt insbesondere über einen Ist-Soll-Vergleich. Die Regulation dient schließlich der Anpassung des Lernverhaltens an die externen Bedingungen der Lernsituation. So können Schülerinnen und Schüler bei Verständnislücken verschiedene Maßnahmen ergreifen, um diese zu schließen, z. B. indem sie einen Text langsamer lesen.
  • Die motivationale Komponente betrifft die Frage, warum und mit welcher Intensität eine Schülerin oder ein Schüler eine bestimmte selbststeuernde Lernaktivität aufnimmt. Zur Beantwortung dieser Frage bewertet er oder sie zum einen, wie wichtig und erwünscht für ihn oder sie bestimmte Ziele und deren Erreichen aber auch Vermeiden ist (Wertkomponente der Motivation), und zum anderen inwieweit sie oder er erwünschte und wichtige Ziele herbeiführen bzw. das befürchtete Zielzustände vermeiden kann (Erwartungskomponente der Motivation). Auf der Grundlage dieser beiden Fragen werden dann Lernhandlungen initiiert, die die größte Wahrscheinlichkeit haben, die besonders erwünschten und auch realisierbare Ziele zu erreichen bzw. zu vermeiden. Zu den Determinanten der Erwartungskomponente zählen vor allem das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit von Schülerinnen und Schülern, wohingegen sich wertbezogene Aspekte in unterschiedlichen motivationalen Orientierungen widerspiegeln. Diese Orientierungen entfalten sich entlang ihres Grades an Autonomie und Selbstbestimmung zwischen den Polen der extrinsischen und intrinsischen Motivation. Neben der Initiierung eines Lernprozesses betrifft die motivationale Komponente auch die Bewertung des Lernverlaufs und des Lernergebnisses. Aus dieser Bewertung resultiert schließlich auch, wie Erfolge oder Misserfolge erlebt werden. Bei der Ausbildung dieses Erlebens versuchen Schülerinnen und Schüler zu verstehen, warum sie z.B. beim Lernen oder in einer Arbeit erfolgreich waren oder nicht und suchen nach dessen Ursachen. Diese Ursachensuche wird als Attribution bezeichnet. Als dessen Ergebnis können verschiedene Emotionen wie z. B. Zufriedenheit, Stolz, Enttäuschung, Scham oder Ärger entstehen. Diese Emotionen und deren zugrundliegende Attributionen beeinflussen wiederum die zukünftige Einschätzung der Realisierbarkeit und Wünschbarkeit und damit die Motivation von Schülerinnen und Schülern in vergleichbaren Situationen sowie deren Wohlbefinden und Stresserleben in der Schule und im Unterricht ([38]; [39]).
  • Die volitionale Komponente dient schließlich dazu, die Lernabsicht einer Person vor konkurrierenden Einflüssen abzuschirmen und zu schützen.

Diese vier Komponenten selbstgesteuerten Lernens gelten sowohl als Voraussetzung wie auch als Ziel von Schule und Unterricht ([40])

Kompetenzen umfassen alle jene Fähigkeiten, die in einem funktionalen Zusammenhang mit der erfolgreichen Lebensbewältigung einer Person stehen. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, Anforderungen und Probleme erfolgreich zu lösen und effektiv zu handeln. Im Gegensatz zu allgemeinen kognitiven Grundfähigkeiten, wie z.B. der Intelligenz, sind Kompetenzen erlern- und trainierbar ([41]; [42]). 

Grundsätzlich lassen sich fachliche Kompetenzen von überfachlichen Kompetenzen unterscheiden. Fachliche Kompetenzen beziehen sich auf Fähigkeiten, die funktional auf die Anforderungen, Probleme und Fragestellungen in einer spezifischen fachlichen Domäne beschränkt sind. Überfachliche Kompetenzen hingegen sind nicht einer bestimmten Fach- oder Berufsdisziplin zugeordnet. Sie liegen quer zur herkömmlichen Fächerstruktur und beziehen sich auf Anforderungen, die sich sowohl auf individueller als auch auf interindividueller, sozialer und gesellschaftlicher Ebene stellen. Diese übergreifende Funktionalität ist das entscheidende Element überfachlicher Kompetenzen ([43]; [44]). 

Zu den wichtigsten überfachlichen Kompetenzen zählen:

  • die Emotionsregulationskompetenzen: Diese umfasst all jene Fähigkeiten einer Person, ihre Gefühle und Emotionen in ihrer Qualität, Intensität, Häufigkeit und ihrem Verlauf sowie Ausdruck nach Maßgabe eines gesetzten Ziels modifizieren zu können ([45]).
  • die soziale Kompetenz: Diese beschreibt in ihrer Gesamtheit das Wissen und die Fähigkeiten sowie Fertigkeiten von Schülerinnen und Schülern, die deren sozial kompetentes Verhalten fördern. Sozial kompetentes Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass der oder die Handelnde seine oder ihre eigenen Ziele gegenüber seiner oder ihrer Interaktionspartnerin bzw. seinem oder ihrem Interaktionspartner verwirklichen kann, ohne dass ihr oder sein Handeln von seinem bzw. ihrem Gegenüber sozial nicht akzeptiert wird. Dazu muss der oder die Handelnde nicht nur die eigenen Interessen, sondern auch die Ziele, Wünsche und Bedürfnisse seiner oder ihrer Interaktionspartnerin bzw. seines oder ihres Interaktionspartners berücksichtigen und Kompromisse zwischen der Durchsetzung der eigenen Interessen und der Anpassung an die Anforderungen der Umwelt finden können ([46]; [47]; [48])
  • die interkulturelle Kompetenz: Diese beschreibt die Fähigkeit kulturelle Unterschiede erkennen, verstehen und darauf angemessen reagieren zu können. Eine interkulturell kompetente Person kann dabei aus dem Vergleich von Kulturen passende Handlungsweisen ableiten und neue Formen interkultureller Zusammenarbeit entwickeln. Zudem beinhaltet interkulturelle Kompetenz die Fähigkeit, Erfahrungen aus einer interkulturellen Situation auf andere interkulturelle Situationen übertragen zu können. Darüber hinaus gehören auch die Ambiguitätstoleranz, kulturelle Achtsamkeit, Empathie, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit sowie die Offenheit für neue interkulturelle Erfahrungen und der Respekt zu den wichtigsten Dimensionen interkultureller Kompetenz ([49]; [50]; [51]).
  • die Berufswahlkompetenz: Diese umfasst alle Fähigkeiten zum Entwerfen, Planen und Gestalten einer eigenen Berufsbiographie. Sie setzt sich aus einem Bündel an kognitiven Fähigkeiten (Selbstwissen, Konzeptwissen, Bedingungswissen sowie Planungs- und Entscheidungswissen), motivationalen Orientierungen (Betroffenheit, Eigenverantwortung, Offenheit und Zuversicht) und Handlungssteuerungselementen (Exploration, Steuerung, Problemlösen und Belastung) zusammen ([52]; [53]).